Doris Bischof-Koehler Forschung

Kinder auf Zeitreise. Theory of Mind, Zeitverständnis und Handlungsorganisation

sanduhrIn den letzten Jahrzehnten sind unter dem Stichwort «Theory of Mind» aufschlußreiche Erkenntnisse darüber zu verzeichnen, wie sich die Fähigkeit, über mentale Vorgänge bei sich selbst und bei anderen nachzudenken, im vierten Lebensjahr entwickelt. Wie wir in mehreren Untersuchungen zeigen konnten, entsteht im gleichen Alter auch ein basales Zeitverständnis. Beide Fähigkeiten korrelieren ferner mit dem Einsetzen exekutiver Kontrolle.

Aufgrund evolutionsbiologischer Überlegungen wurde ein in der Literatur bisher noch kaum reflektierter struktureller Zusammenhang zwischen diesen Entwicklungsschritten postuliert. Das Resultat ist die Fähigkeit, auf «Zeitreise» zu gehen, d.h. sich vergangene und zukünftige Bedürfnislagen zu vergegenwärtigen und diese für die Handlungsorganisation relevant werden zu lassen.

Damit entwickelt sich die volitionale Kompetenz, vorgestellten gegenüber aktuellen Bedürfnissen Priorität einzuräumen. Planung für hypothetische Situationen, Bedürfnisaufschub sowie eine flexiblere Bewältigung von Motivkonflikten sind als wichtigste Auswirkungen bei Kindern zu erwarten, sobald sie über Theory of Mind und Zeitverständnis verfügen.

Unter Einsatz innovativer Versuchsdesigns wurde der Zusammenhang in drei Untersuchungen an 160 Kindern überprüft und bestätigt. Das Buch «Kinder auf Zeitreise» leistet einen Beitrag zur derzeit weitgehend vernachlässigten Zusammenschau von kognitiver und motivationaler Entwicklung.

Literatur

Cover Soziale Entwicklung Soziale Entwicklung in Kindheit und Jugend
Bindung, Empathie, Theory of Mind
Kohlhammer, 2011

Über dieses Buch


 

Zmyi, N. und Bischof-Köhler, D. (2013) The development of gender constancy in early childhood and its relation to time comprehension and false-belief understanding. Journal of Cognition and Development 16(3), 455-470.

Bischof-Köhler, D. (2010). Empathie, Theory of Mind und die Fähigkeit auf mentale Zeitreise zu gehen. Zur Phylogenese und Ontogenese sozial-kognitiver Kompetenzen. In B. Mayer & H.-J. Kornadt (Hrsg.), Psychologie – Kultur – Gesellschaft (47-69). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Bischof-Köhler D. & Bischof N. (2007). Is mental time travel a frame-of-reference issue? Open peer comment to: Suddendorf T. & Corballis M.C.: The evolution of foresight: What is mental time travel and is it unique to humans? Behavioral and Brain Sciences 30(3), 316-17.

Bischof-Köhler, D. (2000). Kinder auf Zeitreise. Theory of Mind, Zeitverständnis und Handlungsorganisation. Bern, Huber.

Bischof-Köhler, D. (2000). Entwicklungspsychologische Ansätze.
In H-.J. Otto, H.A. Euler & H. Mandl (Hrsg.), Handbuch Emotionspsychologie (165-176). Weinheim: Beltz.

Bischof-Köhler, D. (1998). Zusammenhänge zwischen kognitiver, motivationaler und emotionaler Entwicklung in der frühen Kindheit und im Vorschulalter. In H. Keller (Hrsg), Lehrbuch Entwicklungspsychologie (325-377) Bern: Huber.

Bischof-Köhler, D. (1996). Ich-Bewußtsein und Zeitvergegenwärtigung. Zur Phylogenese spezifisch menschlicher Erkenntnisformen. (Umgearbeitete Fassung von «Jenseits des Rubikon»). In A. M. Barkhaus, N. Mayer, N. Roughly & D. Thürnau (Hrsg), Identität, Normativität, Leiblichkeit. Neue Horizonte anthropologischen Denkens (76-108). Frankfurt: Suhrkamp.

Bischof-Köhler, D. (1991). Jenseits des Rubikon: Die Entstehung spezifisch menschlicher Erkenntnisformen und ihre Auswirkung auf das Sozialverhalten. In E.P. Fischer (Hrsg), Mannheimer Forum. Ein Panorama der Naturwissenschaften 90/91 (143-193). München: Piper.

Bischof-Köhler, D. (1985). Zur Phylogenese menschlicher Motivation. In L. H. Eckensberger &. E-D. Lantermann (Hrsg), Emotion und Reflexivität (3-47). Wien: Urban und Schwarzenberg.